Erfolg mit "A-100": Dieter Doepfer ist weltweit der einzige Hersteller von Analogen Synthesizern
SILBERNE WUNDERKISTE: Dieter Doepfer vor einem seiner analogen Synthesizer, dem Modell A-100. Photo: Gerald Tarufetter |
Techno ist tot. Jetzt steht es fest, niemand kann es mehr leugnen. Es war nicht der kornmerzielle Angriff der Industrie, sondern es war Selbstmord: Techno hat sich seiner Ideologie beraubt. Forewards ever, backwards never! Dieser kleinste gememsame Nenner hat aufgehört zu existieren. DJs und Produzenten, die Avantgarde des digitalen Zeitalters, entdecken jetzt die analoge Klangerzeugung der siebziger Jahre wieder. Statt computererzeugter, reiner Digitaltöne setzen sie nun auf die etwas schmutzigeren, quasi handgemachten Analogklänge.
Als einer der ersten hat Dieter Doepfer dieses Phdnomen beobachtet. Vor zwei Jahren schnellten die Preise für gebrauchte Synthesizer in die Höhe. Der analoge Klangmodulator Roland TB303 wurde plötzlich für 3000 Mark angeboten. "Dabei hat er in den siebziger Jahren nie mehr als 600 Mark gekostet", sagt Doepfer. Diese Erkenntnis verhalf dem 45jährigen Gräfelfinger zu einem florierenden Kleinunternehmen mit 2,5 Millionen Mark Umsatz.
Als Physikstudent hatte Doepfer Ende der siebziger Jahre selber ein Analogmodul zusammengeschraubt, verwarf dann aber die Pläne und konzentrierte sich auf Keyboards. Erst jetzt fertigt er das Modul mit acht Mitarbeitern in Serie. "Zum Glück setzen die großen Hersteller nur noch auf digitate Klangerzeugung. So stehe ich weltweit allein mit Angebot da", freut sich Doepfer.
A-100 heißt das Produkt, um das sich die internationale DJ-Szene reißt. The Prodigy synthetisieren damit ihren Sound, Vangelis arbeitet an den Reglern des A-100, den Doepfer zusammen mit Florian Schneider von den Rockern Kraftwerk entwickelt hat. 500 Stück hat er bereits verkauft - für den bescheidenen Markt eine stattliche Anzahl. Allein 100 der Klangmodule gingen für jeweils 2500 Mark nach Japan. Das Äußere des A-100 verrät nicht gerade, daß es eigentlich jeden vorstellbaren Klang erzeugen kann. Eine silberne Kiste mit Reglern und Steckverbindungen, die mit einern Knäuel grauer Kabel vernetzt sind.
Mit ein paar Handgriffen bringt Doepfer die Klanghöhe. Dann stöpselt er einen Oszillator in den Schaltkreis, der das Geräusch in Schwingungen versetzt. Kombiniert mit einem Klang in ähnlicher Höhe, beginnt der Ton zu schweben und hört sich an wie dieses synthetische PijuuuPijuuuPijuuu", bekannt aus der Trailermelodie von Wetten, daß...?
Mit einer anderen Einstellung imitiert das A-100 ein kleines Streicherchester. Nach ein paar Drehungen an den Reglern verwandelt sich das Geräusch in den dröhnenden Baß einer Kirchenorgel. Töne sind halt nichts anderes als elektrische Spannungen", erklärt Doepfer. Die Filter verändern lediglich Klangparameter wie Frequenz, Lautstäke oder Klangfarbe. "Das muß man sich vorstellen wie einen Baukasten", sagt der Tontüftler. Am Ende setzen Lautsprecher die Spannungsschwankungen in Luftschwingungen um, und so landet die akustische Information im Gehörgang. Die Komposition, also das Zusammenstellen der Klänge, ist Aufgabe der Musiker. "Meine Faszination gehört dem einzelnen Ton", sagt Doepfer.
Mit einern Oszillographen macht er den Ton sichtbar: Eine Sinuskurve, ein Sägezahn-Muster oder ein zuckender Strich erscheinen auf dem Monitor. So kommt er auch der Besonderheit analoger Klangerzeuger auf die Spur, die die Liebhaber verzücken läßt: kleine Fehlfrequenzen in den Tönen, auf der Klangkurve erkennbar als unscheinbare Brechung. So ein unscheinbares Störgeräusch produziert fast jeder Filter, und in der Summe ergibt es den unverwechselbaren Klangcharakter analoger Technik. "Manchmal verändert schon höhere Luftfeuchtigkeit den Ton um eine Nuance", sagt Klangforscher Doepfer.
Digitate Klangerzeugung ist hingegen unfehlbar. Der Computer errechnet einen Ton aus einer mathematischen Funktion und erzielt damit einen reinen, beliebig reproduzierbaren, dafür aber charakterlosen Klang. "Theoretisch mtüßte man also eme Fehlfrequenz wie im analogen System am Computer dazurechnen. Dann ist das ganze aber kein Zufallsprodukt mehr", sagt Doepfer. Außerdern ist es heutzutage noch praktisch unmöglich, einen bestimmten Klang in Echtzeit vom Computer erstellen zu lassen. Dazu fehlt bislang die nötige Rechnerleistung.
Die digitate Technik der großen Konzerne wie Yamaha oder Roland baut auf Klangchips auf. Damit können Töne allerdings nur nach vorgegebenen Mustern bearbeitet werden. Das wiederrum schränkt die Kreativität ein. Was der Computer momentan bereits besser erledigen kann, ist, gesampelte Geräusche zu verfremden und in bestimmter Reihenfolge abzuspielen. Das war bislang auch das Prinzip des Techno.
Außerdem genügt der Computer insbesondere bei einem Live act schon alleine ästhetischen Anforderungen nicht. Das ist Dieter Doepler bei seinen gelegentlichen Clubbesuchen aufgefallen: "Dort wirkt es einfach besser, an Reglern zu drehen, als wenn man den Beat mit einem Mouse-Klick abfährt.